Presseberichte 2015 „klangfest@125″


Bildergalerie der JBU

Bildergalerie der Südwest-Presse


2000 Zuhörer feiern am Freitagabend das „klangfest@125“

400 Mitwirkende auf der Bühne, 500 Helfer hinter den Kulissen und 2000 Zuhörer auf dem Münsterplatz: Das „klangfest@125“ am Freitagabend war ein musikalisches Familientreffen der Stadtgesellschaft. Mit Fotostrecke, einem Video, einer Umfrage und einem Leitartikel von Hans-Uli Thierer.

Zum großen Finale erstrahlte das Münster nicht nur in Lila und Grün, es spielte auch mit. Zumindest spielten die Glocken: Die läuteten am Freitagabend um 22.20 Uhr zum Abschluss des „klangfests@125“. Ein schönes Ende dieses musikalischen Großereignisses zum Münsterturmjubiläum, das von den 2000 Zuhörern auf dem Münsterplatz anschließend bejubelt wurde. Und ein Glück: Das Wetter hatte gehalten.

Fieberhaft war an diesem „klangfest@125“ gearbeitet worden: Nach der Anfang März erfolgten Absage des „Ulmer Oratoriums“ des zyprischen Komponisten Marios Joannou Elia hatten der musikalische Leiter, Münsterkantor Friedemann Johannes Wieland, und der Dramaturg, Operndirektor Matthias Kaiser, ein neues Konzept erstellen müssen. Ein Konzept jedoch, das den partizipatorischen Grundgedanken des Oratoriums, die Teilhabe möglichst vieler Ulmer Ensembles und Musiker, beibehalten sollte.

400 Sänger und Instrumentalisten stehen nun auf den zwei stattlichen, von Runddächern überspannten Bühnen, und man muss sie alle aufzählen: das Philharmonische Orchester und der Opernchor, die Münsterkantorei, der Oratorienchor, die Ulmer Spatzen, die Junge Bläserphilharmonie Ulm, ein Schlagzeugensemble und Solisten.

Triumphal geht es los: mit dem Schlusschor aus Felix Mendelssohns Oratorium „Elias“, das zum Einweihungsfest anno 1890 gespielt worden war. Gleich danach: meditative Streicherklänge aus Einojuhani Rautavaaras „Into the heart of light“ – dazu sind auf einer Leinwand Münster-Bilder der Neu-Ulmer „Bootschaft“ zu sehen: Kamerafahrten, Regentropfen, Kerzen, Lichtspiele, Fensterimpressionen.

Es folgt simpel Liedhaftes aus Markus Munzer-Dorns Kindermusical „Der Turmbau“, dann Lili Boulangers archaische Psalmvertonung „La terre appartient a l’Eternel“. Im rot aufleuchtenden Münsterportal werden Joo Kraus und Fola Dada in Szene gesetzt: „Schritt für Schritt“ Trompete, Elektronik und Stimme.

Stein, Krieg, Tod: Zu Charles Ives’ „Unanswered Question“ leuchten erneut Bilder auf. Eigentlich verhallt dieses Stück im fragenden Nichts, doch hier folgt, wie ein Trostgesang, noch ein Auszug aus „Elias“. Dann ist die JBU auf eigener Bühne dran, mit Etienne Crausaz’ soundtrackhafter Suite „Deliverance“ – das Pflichtstück zum Deutschen Orchesterwettbewerb. Und nach schicksalhaftem Bombast mit „O Fortuna“ aus der „Carmina Burana“ steht eine Uraufführung an: Jürgen Grözingers perkussives Werk „Höher!“, in dem auch Trommeln des Fischerstechens ertönen.

Was dieses „klangfest@125“ alles leisten mag: die Musikgeschichte seit 1890 widerspiegeln; dem Münster in seiner Größe, Vielfältigkeit, auch seinen Kontrasten entsprechen; seine spirituellen, sozialen, architektonischen Dimensionen aufnehmen. Zu Auswahl und Abfolge der Stücke haben die Macher sich also dramaturgische Gedanken gemacht. Ob man das nun als durchgehend sinnhaft empfindet oder doch als Stückwerk und zuweilen beliebig, das sei einmal dahingestellt.

Ein wahres Klang-Fest ist es auch nicht. Gerade angesichts des riesigen technischen Aufwands (nach jetzigem Stand kostet die Stadt die Unternehmung Oratorium/klangfest@125 eine halbe Million Euro) enttäuscht die Akustik: Ohne Raumwirkung und Wucht tönt die Musik aus den Boxen. Doch umso prächtiger hat am Ende von „Höher“ das Münster samt Glocken seinen Auftritt – der wahre Star des Abends.

Und so fanden die Zuschauer die Generalprobe:

Quelle: Youtube-Account Südwest-Presse Ulm

Am Samstag nochmal

Konzert: Für rund 1900 Zuhörer ist beim „klangfest@125“ auf dem Münsterplatz bestuhlt – für Samstagabend gibt es an der Abendkasse auf jeden Fall noch einige Karten. Das Konzert beginnt wieder um 21 Uhr (je nach Witterung kann sich das etwas verzögern). Die Aufführungsdauer beträgt eine gute Stunde.

Leitartikel von Hans-Uli Thierer: Drum nicht „Hells Bells“

Es hätte ja nicht unbedingt AC/DC sein müssen. Andererseits: Die Band tourt gerade durch Europa. „Hells Bells“! Was wäre das vorm Münster für eine Hymne auf den Münsterturm und seine Fertigstellung vor 125 Jahren gewesen.

Doch daran ist nicht zu denken. Man muss ja froh sein, wenn es morgen, dem eigentlichen Jahrestag, dazu reicht, am Tag des Turmes in dessen Schatten mit einem Glas auf ihn anzustoßen. Ulm übt sich selbst zu einem so grandiosen Festtag, an dem es seinen einzigen Weltrekord zu feiern gilt, in schwäbischer Bescheidenheit. Die Stadt setzt, wie sie im Programmheft kundtut, „bewusst einen Gegenpart zu Festen und Feiern“, lädt stattdessen ein „zum Betrachten, Staunen und Entdecken“ ihres architektonischen Prachtstücks. Manche umschreiben diese Art, einen Festtag zu begehen, mit pietistischer Strenge. Der frohnaturell ausgestattete Mensch geht weiter und sieht in Ulm eine spaßbefreite Zone.

Können wir Ulmer wirklich nicht feiern? Oder regulieren unsere Obrigkeiten Feste und Feiern zugrunde? Mal halb lang. Einmal im Jahr, über ein ganzes Schwörwochenende hinweg, lässt Ulm es krachen und trotzt Gängeleien und Normierungsversuchen. Im Fall des Münsterturms hingegen liefert der sakrale Hintergrund durchaus Argumente für einen dezenten, diskreten, behutsamen Umgang mit dem Bauwerk. Nur ja kein Trubel. „Kein Event“, wie Ivo Gönner betont.

Auffällig indes: Die oberbürgermeisterliche Mahnung zur Zurückhaltung ist umso öfter zu vernehmen, seit die Welt-Uraufführung des „Ulmer Oratorium“ geplatzt ist. Zur ganzen Wahrheit gehört nämlich, dass Bedachtsamkeit keineswegs am Anfang der Überlegungen stand, wie das Turm-Jubiläum zu begehen sei. Die dafür locker gemachten 1,8 Millionen Euro sprechen eher dafür, dass die Lokalpolitik sich ein Fortissimo erhofft hat, nicht das nun propagierte Pianissimo. Man hätt’s halt doch gern krachen lassen. Höllenglockenmäßig.

Ein für diesen Zweck engagierter Marketing-Professor hatte den Erwartungshorizont, überregional Aufsehen zu erregen, derart hoch gespannt, dass in dieser Hinsicht im Lichte der bisherigen Ereignisse nur ein Misserfolg zu konstatieren ist. Jenes Ereignis, das Aussicht gehabt hätte, Aufmerksamkeit über die Stadtgrenzen hinaus zu erzeugen, das Oratorium, macht anderweitig Schlagzeilen und beschert Ulm womöglich noch Spöttelei über einen veritablen kulturjuristischen Streit: Hat der Komponist nicht fristgerecht geliefert oder war Ulm nicht in der Lage, sein Werk aufzuführen?

In höchster Not gelang es Akteuren auf, vor und hinter Bühnen und Schreibtischen ein beruhigendes Signal zu setzen. Die Stadtgesellschaft funktioniert, wie das Ersatzprogramm zeigt, das gestern Abend Premiere hatte: Das „klangfest@125“, das auf Resonanz stößt und Anklang findet, ist einem beispielhaften Akt an künstlerischem Ehrgeiz und bürgerschaftlichem Gemeinsinn zu verdanken.

Gerettet wurde durch diesen Einsatz die partizipatorische Idee, mithin das Prinzip der Bürgerkirche: möglichst viele Menschen zu beteiligen. 400 Musiker und Sänger sorgten für Ulms musikalische Hommage an seinen Turm. Nicht mit Höllenglockengeläut, sondern durch ein (Wohl-)Klangfest.

Womöglich wird noch ein veritabler Kulturstreit geführt.

Quelle: Südwest-Presse Ulm
Autor: Magdi Aboul-Kheir, Hans-Uli Thierer
Datum: 29.05.2015


Weitere Videos


Quelle: Youtube-Account „Ulm – Deine Stadt“
Quelle: Youtube-Account „Ulm – Deine Stadt“
Uraufführung Jürgen Grözinger: „Höher“ Mai 2015 beim „klangfest@125“
Quelle: Youtube-Account Jürgen Grözinger